Erfahrungsbericht Benedikt

Name: Benedikt
Universität: Humboldt-Universität zu Berlin
Kampagne: I/2017
Lernweise: Vierer-Lerngruppe
Vorbereitungszeit: anderthalb Jahre

Inhalt

I. Mein Weg zu einem Examen im Team

Als sich mein Schwerpunkt immer weiter dem Ende näherte, wusste ich zwar, dass nun die Examensvorbereitung losgehen würde, was das aber genau bedeuten sollte, war mir noch überhaupt nicht klar. Auch Begriffe wie ExoRep und ähnliche sagten mir noch überhaupt nichts.

Zum Glück hatte ich gleich zu Beginn meines Studiums sehr gute Freunde gefunden. Bereits während der ersten Semester hatten wir für die Prüfungen gemeinsam gelernt. Wie auch immer die Examensvorbereitung aussehen sollte, wusste ich, dass wir auch weiterhin zusammen lernen würden.

Ich hatte bis dahin vor allem die privaten Repetitorien wahrgenommen, doch alles was ich davon hörte, war mir unsympathisch: Nicht nur, dass es extrem viel kosten sollte, sondern zudem, dass die Repetitoren (die fast ausnahmslos Männer seien) laufend sexistische Sprüche machten und nicht daran interessiert seien, bei den Lernenden ein systematisches Verständnis zu erzeugen, sondern vielmehr ihnen nur Angst vor dem Examen machten und ihnen stupide Wissen einprügelten.

Der entscheidende Durchbruch, mich für ein Examen ohne kommerzielles Repetitorium, sondern stattdessen im Team zu entscheiden, kam dann allerdings durch eine von einem Lehrstuhl veranstaltete Infoveranstaltung, bei der über ein Examen ohne Repetitor informiert und dafür geworben wurde. Einer meiner Lernpartner war bei dieser Veranstaltung und von dem was er dort hörte so überzeugt, dass er auch an uns seine Begeisterung weitergab.

Dadurch, dass wir wie gesagt bereits während des Studiums so gut befreundet waren und einen ähnlichen (eher niedrigen) Lernstand vorwiesen und wussten, dass wir gut miteinander lernen können, war die Bildung einer Lerngruppe bereits vorgezeichnet.

II. Vorbereitung der Lerngruppe und ihre Durchführung

Nun ging es daran, unser Repetitorium vorzubereiten. Ein erster guter Einstieg für mich war das Standartwerk zum Thema: „Examen ohne Repetitor“. Dann hatten wir das große Glück, von Freunden Lernpläne zu bekommen, an die wir unsere Planung anlehnen konnten. Zur Vorbereitung, die in den Sommersemesterferien erfolgte, hatten wir uns einige Male getroffen. Wichtig war es für mich, vor dem Beginn des Reps noch einmal zu verreisen, da uns bereits klar war, dass während der 1-1/2 Jahre keine größeren Reisen mehr möglich sein würden.

Ich denke, dass in der individuellen Erarbeitung eines Lernplans ein großer Vorteil des Examens im Team gegenüber dem KommerzRep liegt: Hierdurch erhält man bereits vor dem langen Lernzeitraum einen groben Überblick darüber, was einen alles erwartet und teilt sich so den Stoff ein, wie es einem selbst sinnvoll scheint. Wichtig dabei ist sich immer klar zu machen, dass der Lernplan zwar eine grobe Orientierung darstellt, allerdings auch jederzeit noch abgeändert werden kann.

Wir legten uns auch eine bald unverzichtbare gemeinsame Dropbox zu, in der wir zügig einen umfangreichen Datensatz aus Lernplänen, Fällen inklusive Lösungen, Skripten etc. ansammelten. Auch richteten wir einen Mailverteiler ein, um die Kommunikation zu vereinfachen. Um den kommerziellen Anbietern in Sachen Corporate Design in nichts nachzustehen, gaben wir unserer Lerngruppe einen eigenen Namen und entwarfen Seitenvorlagen für die Anfertigung der Skripte (s.u.) und der Wiederholung mit einem eigenen Logo. Das mag zwar etwas albern klingen (ist es auch) aber uns war es wichtig, dass unsere Unterlagen einheitlich und schick aussehen und uns nicht eine Mischung aus Comic Sans und anderen Schriftverbrechen in verschiedenen Schriftgrößen beim durchlesen Augenschmerzen bereitet.

1. Ausgestaltung der Lerngruppe im ersten Jahr (Phase 1)

Wir hatten den gesamten Lernstoff auf etwa 100 Sitzungen aufgeteilt. Diese waren auf etwa ein Jahr verteilt und fanden zwei Mal pro Woche für etwa 4 Stunden mit Pausen statt. Wir hatten für dieses Jahr 3 Wochen Ferien vorgesehen. Ca. alle 6 Wochen war eine Pufferwoche vorgesehen, in der man Aufgeschobenes nachholen oder sich eine wohlverdiente Auszeit nehmen konnte. Die Sitzungen sahen dergestalt aus, dass wir zunächst mit der Klärung aller in der vorherigen Sitzung aufgekommenen Fragen durch eine Person begannen. Ebenjene Person bereitete zudem eine Wiederholung bestimmter Sitzungen vor. Die Sitzungen wurden dabei in immer größeren Abständen wiederholt (letzte Sitzung, 2. letzte Sitzung, 4. letzte Sitzung, 8. letzte Sitzung usw.), wodurch eine optimierte Lernkurve erreicht werden soll (sog. Lernen in Potenzen). Diese Wiederholung konnte ganz unterschiedlich aussehen. Manchmal bestand sie aus abstrakter Wissensabfrage, meistens aber bestand sie aus kleinen Fällen. Anschließend folgte dann die Behandlung des neuen Stoffs, die durch eine weitere Person vorbereitet wurde. Hierbei exzerpierte diese Person den jeweiligen Stoff, so dass am Ende wir alle ein Skript vorliegen hatten, mit Hilfe dessen wir den Stoff lernen konnten, ohne alles im Buch nachlesen zu müssen. Die Sitzungen endeten zumeist mit einem größeren Fall.

Kurzfassung jeder Sitzung:
a) Offene Fragen
b) Wiederholung
c) Sehr kurze Darstellung des Stoffs (meistens nur in der Theorie)
d) größerer Fall zu aktuellem Stoff

Das hört sich jetzt sicher alles super kompliziert an, aber natürlich hat das zu Beginn bei uns auch noch nicht so ausgesehen. Das meiste hat sich erst mit der Zeit ergeben und eingegroovt. Während des Jahres haben wir immer wieder neues ausprobiert und sind dann schließlich am Ende zu genannter Sitzungsaufteilung gekommen, die für uns am Besten war. Dabei richteten wir uns aber auch weiterhin nicht sklavisch an das Schema. Es war immer Platz für kleine Inputs zu bestimmten Themen oder andere Ausgestaltungen.

Hierfür war es für uns unabdingbar, regelmäßig unser Lernen und die Gruppe zu evaluieren. Die Evaluationen fanden etwa einmal im Monat statt, zu einem festen Termin oder wenn jemand etwas loswerden wollte. Meistens waren diese zweigeteilt: Zunächst wurde organisatorisches Besprochen und unser Lernplan und sie Sitzungen verbessert. Danach konnte jeder Probleme in der Gruppe ansprechen und die Gruppendynamik evaluieren. Diese Treffen waren für uns wichtig, da dem Aufstauen von Probleme Vorschub geleistet wurde.

2. Ausgestaltung der Lerngruppe im letzten halben Jahr vor dem Examen (Phase 2)

Nach diesem Jahr folgte dann ein weiteres halbes Jahr, während dem jeder individuell den Stoff wiederholen konnte. Aber auch während dieser Zeit trafen wir uns mindestens zwei Mal pro Woche in der Lerngruppe. Dabei war zunächst einmal Raum, um offene Fragen zu klären, in erster Linie lösten wir in der Zeit aber Fälle. Häufig wurden größere Examensfälle dann bereits durcheinen Vorbereitenden vor der Sitzung ausgeteilt, jeder hatte dann zwei Stunden Zeit, den Fall in einer Skizze zu lösen und anschließend wurde der Fall dann in der Lerngruppe gemeinsam besprochen.

3. Lernen neben der Lerngruppe

Auch wenn die Lerngruppe den Kern unserer Vorbereitung darstellte, haben wir uns auch darüber hinaus die Thematik angeeignet.

Jedem kann nur angeraten werden, so früh wie möglich mit dem Schreiben von Klausuren anzufangen. Auch uns hat das am Anfang viel Überwindung gekostet, gerade weil viel inhaltliche Kenntnisse noch fehlen, aber schließlich stehen am Ende des Repetitoriens fünfstündige Klausuren, bei denen man auch nicht immer alles wissen kann. Wir haben deshalb relativ früh damit angefangen, jede Woche eine Klausur im Klausurenkurs zu schreiben. In den letzten Monaten haben wir das zum Teil dann sogar auf zwei pro Woche gesteigert, wobei wir uns diese zum Teil auch gegenseitig gestellt und korrigiert haben. Auch die Teilnahme an einem Probeexamen, soweit von der Uni angeboten, kann nur empfohlen werden.

Natürlich gehört zur Lerngruppe auch die Vorbereitung auf diese. Wir sind dazu meistens in die Bibliothek gegangen und haben nur selten zu Hause gelernt, da dieses den Tag strukturiert und man dort die anderen Lerngruppenmitglieder trifft und man sich so austauschen kann. Aber manchmal haben wir uns dann auch mal eine Auszeit von der Uni genommen und zu Hause gelernt. Um dem in der eigenen Uni zum Teil bestehenden Druck zu entfliehen, sind wir jedoch auch häufig in andere Bibliotheken gegangen.

Zu Beginn unseres Repetitoriums hatten einige von uns sich noch vorgenommen, zusätzlich zum UniRep zu gehen. Dafür hatten wir unsere Lerngruppe extra so gelegt, dass dies möglich war. Da unsere Lerngruppe und ihre Vorbereitung allerdings sehr umfangreich waren, nahm der Besuch des UniReps immer weiter ab. Es lief dann eher darauf hinaus, nur ab und zu einige bestimmte Veranstaltungen zu besuchen.

III. persönliche Erfahrungen

Das Repetitorium hat für mich eine unglaubliche Belastung bedeutet, wie ich sie in meinem Leben bis dato noch nicht kannte. Ein so langer Zeitraum, bei dem man über weite Strecken gestresst und angespannt ist, ein enormes Arbeitspensum und sehr wenig Freizeit und Urlaub. Zudem das Wissen darum, dass sich fast das gesamte Studium von 5 Jahren in einer Woche entscheidet.

Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass die Vorbereitung mit einer Lerngruppe für mich der mit Abstand beste Weg war: Ohne die gegenseitige Unterstützung, das gegenseitige Aufbauen und Bestärken und den Rückhalt in der Gruppe bin ich mir sicher, dass ich die Vorbereitung nicht so konsequent und zielführend hätte durchziehen können. Wirklich besonders war dabei glaube ich, dass wir in der Lerngruppe nicht nur eine reine Zweckgemeinschaft waren, sondern auch ähnlich ticken und ähnliche Ansichten haben.

Durch unsere enge Beziehung wurde die Pflicht, die das Lernen darstellt, häufig sogar zur Freude. Als besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext auch unsere Lerngruppenwochenenden, bei denen wir als Lerngruppe zusammen über ein Wochenende in ein Haus auf dem Land gefahren sind, dort einerseits gelernt haben, andererseits aber auch entspannen und abschalten konnten.

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass eine so enge Verquickung von Arbeit und Freizeit nicht für jeden die richtige Alternative ist. Für mich war das aber genau richtig.

Das einzige, was ich rückblickend heute anders machen würde ist, dass ich mir nicht so viel Druck machen würde. Natürlich ist das im Nachhinein leichter gesagt als getan, aber ich denke, dass man einfach auf sich und das Erlernte vertrauen muss. Wenn man sich 1 1/2 Jahre so intensiv vorbereitet, wird am Ende schon was Gutes dabei rumkommen.

IV. Ergebnisse

Nicht nur um anzugeben, sondern vor allem, um Euch Mut zu machen und zu zeigen, dass das Examen im Team zu mehr als respektablen Ergebnissen führt, möchte ich Euch am Ende noch folgendes verraten: Wir haben alle mehr als komfortable bestanden und drei von uns haben sogar mit einem Vollbefriedigend im staatlichen Teil abgeschlossen. Der Lerngruppendurchschnitt lag bei den schriftlichen Prüfungen bei 8,9 Punkten. Dies stellt übrigens – soweit wir von befreundeten Lerngruppen erfahren haben – keineswegs eine Seltenheit dar.