Immer wieder liest und hört man Aussagen wie „ich gehe zum Repetitor, weil ich nicht die Zeit dafür habe, mir das ganze Wissen selbst herauszusuchen“. Aber stimmt es wirklich, dass das Rep bei kommerziellen Anbieter weniger zeit- und arbeitsintensiv ist?
Wohl kaum. Denn, wer sich das Wissen selbst erarbeitet und gegebenenfalls in der Lerngruppe noch anderen vermittelt, der wird die Inhalte viel bewusster konsumieren und sich dadurch besser merken können, als jemand der täglich zwanzig Seiten Text (Schriftgröße 10) auf den Tisch gesetzt bekommt und sich dazu sechsstündige Monologe anhören muss. Studierende, die sich selbst in der Bibliothek das Wissen aneignen und anschließend mit FreundInnen darüber sprechen und streiten nutzten die Zeit viel intensiver als diejenigen, die in stickigen Repetitorienräumen sitzen und nur stumme Konsumenten sind.
Dies ist aber längst nicht der alleinige Vorteil eines Repetitoriums in Eigenregie. In fast allen Belangen ist das Examen im Team dem eines kommerziellen Anbieters voraus. Freilich, der einleuchtendste Pluspunkt (und wohl oft auch der Auslöser sich mit dieser Alternative auseinander zu setzen) ist der finanzielle Aspekt. 150 bis 200 Euro im Monat oder gratis? Keine schwierige Frage. Das ersparte Geld kann in die Freizeitaktivitäten gesteckt werden, die für ausgewogenen ReperInnen ebenso wichtig sind, wie das Lernen. Entspannungsurlaube auf sonnigen Mittelmeerinseln oder feuchtfröhliche Kneipennächte.
Das Erlernen von Selbstorganisation
Aber, werden jetzt einige sagen, es ist doch super, dass es Menschen gibt, die einem für einen „kleinen Obolus“ bei der Examensvorbereitung helfen. Ja, klar. Aber wer hilft Dir eigentlich später im Berufsalltag bei der Bewältigung schwerer Herausforderungen? Richtig, niemand. Niemand, außer Du Dir selbst. Und rate mal, wer da besser aufgestellt ist? Diejenigen, die täglich mindestens sechs Stunden auf ihrem Allerwertesten saßen und von RepetitorInnen jegliche Inhalte vorgekaut bekommen haben? Oder diejenigen, die sich einen eigenen Lernplan aufgestellt haben und eineinhalb Jahre in Selbstorganisation durch Höhen und Tiefen gegangen sind? Diejenigen, die es schmerzlich gelernt haben, ihre eigene Arbeitsweise ständig kritisch zu hinterfragen und zu ändern, bis sie perfekt war? Diejenigen, die ohne fremde Hilfe eine der schwierigsten Prüfungen, die es in der Republik zu bestehen gibt, gemeistert haben? Ja, auch das ist keine schwierige Frage.
Klar, dem könntet ihr widersprechen. Ihr könnte sagen, dass man im während der Examensvorbereitung lernt um ein VB zu bekommen und nicht um nach der Examenszeit eigenständig arbeiten zu können. Aber glaubt mir, selbst ein VB zu bekommen ist einfacher in Selbstorganisation als mit eine_r kommerziellen RepetitorIn. Dass ihr euch die Inhalte viel besser merken könnt, wenn ihr sie Euch selbst erarbeitet, habe ich oben schon erläutert. Wer sich einmal mit seinen Lerngruppenfreunden über zwanzig Minuten hitzig darüber gestritten hat, ob ein Schraubenzieher ein gefährliches Werkzeug ist, der wird diesen Streit und die entsprechenden Argumente nie wieder vergessen. Aber mit Wissen alleine kommt man bei den Staatsprüfungen nicht weit.
„Eigenständiges Denken bringt die entscheidenden Punkte im Examen“
Zwar ist das Wissen eine absolute Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Leistung, die richtigen Punkte im Examen gibt es aber an den Stellen, an denen ihr den KorrektorInnen zeigt, dass ihr eigenständig und kritisch denken könnt. Eigenständiges juristischen Denken wird in einer Lerngruppe ständig geschult, wenn ihr Euch gegenseitig Fälle lösen lasst und Euch in Auseinandersetzung miteinander befindet. Wer das von seine_r RepetitorIn vorbereitete Blatt auswendig lernt, auf dem die fünf Standardargumente stehen, warum – oder warum eben nicht – ein Schraubenzieher ein gefährliches Werkzeug ist, der wird nicht von sich behaupten können, sonderlich intensiv sein kritisches Denken zu schulen. Ratet mal, was KorrektorInnen mehr erfreut: Zum hundertsten Mal das gleiche Argument zu lesen oder nach neunundneunzigmal Einheitsbrei von einem neuen und frischen Gedanken überrascht zu werden?
„Die psychische Verfassung ist das A und O der erfolgreichen Prüfung“
Enorm wichtig ist auch Eure psychische Verfassung. Nach der langen Vorbereitungszeit müsst Ihr in den sieben Prüfungen topfit sein, um die volle Ernte einzufahren. Für mich persönlich – und auch für viele FreundInnen von mir, mit denen ich darüber gesprochen habe – ist die Militärakademieatmosphäre der kommerziellen Repetitorien psychisch nicht sonderlich erbaulich. Einen Einblick in dieses Leben durfte ich während eines Klausurenkurses bekommen, den ich bei einem kommerziellen Anbieter kurz vor meinem Examen gebucht hatte.
Viel zu früh morgens schaute ich, in einem Lastenaufzug, der uns in einem miefigen Bürogebäude zu unserem Stockwerk brachte, in leere und übermüdete Gesichter. Kaum eine_r redete und die wenige Konversation, die ich vernahm verlief in etwa so: „Hey, was hast Du am Wochenende gemacht?“ Antwort: „Ach, welches Wochenende? Ich war beim ZPO Crashkurs.“ Schon keimte Panik auf. Ich hatte noch nie einen Crashkurs gebucht und habe am Wochenende – bis auf wenige Ausnahmen – zumeist meine Freiheit genossen.
Während der Klausurbesprechungen wirst Du durch den Fingerzeig des Dozenten („Du da mit der Brille!“) zur Beantwortung der Fragen aufgefordert. Die Gnade Gottes Dir, wenn Du eine einfach Frage nicht zu beantworten weißt. Unverständliches Kopfschütteln und einen dummen Spruch kassierst Du mindestens.
Auch gehört ordentlich Mut dazu eine Frage zu stellen, denn das Motto meiner behüteten Kindheit – „dumme Fragen gibt es nicht“ – gilt hier nicht. Wehe Dir, Unwissender, wenn Du eine Frage stellst, die schon im Hauptkurs behandelt wurde oder deren Antwort doch absolut logisch ist.
Mich hat diese streßige Atmosphäre nicht gerade psychisch erbaut. Da lob ich mir das gemütliche und freundschaftliche Arbeitsumfeld meiner Lerngruppe. Ach ja, meine liebe Lerngruppe, in der ich weiß, dass ich auch die einfachste Frage stellen und die dümmsten Fehler machen kann ohne dafür verurteilt zu werden. In der sich jede_r gerne die Zeit dafür nimmt, mir auch zum wiederholten Male zu erklären, was geschieht, wenn akzessorische und nichtakzessorische Sicherungsrechte kollidieren. Aber wie gesagt, das ist Geschmacksache.
„Verantwortung macht Spaß“
Letztlich ist aber das wichtigste Argument für eine selbstorganisiertes Examensvorbereitung, dass es einfach mehr Spaß macht. Selbst die Verantwortung für die eigenen Lernpläne und -inhalte zu tragen und bestimmen zu können wann, was gelernt wird, macht viel mehr Spaß als fremdbestimmt nur dafür zuständig zu sein zu vorgegebener Zeit die entsprechenden Inhalte aufzusaugen. Es macht Spaß in extra dafür vorgesehenen Treffen der Lerngruppe zu evaluieren, was gut und was schlecht läuft und anschließend die Lernpläne und Sitzungsabläufe so zu modellieren, dass sie noch besser funktionieren.
Ich habe mich jedes Mal auf die Lerngruppensitzungen gefreut. Darauf vorher noch ein Käffchen mit meinen FreundInnen zu trinken und gemeinsam über den Baulärm in der Bib abzukotzen oder einfach nur zu erzählen, was gerade ansteht. Darauf den Anderen Fälle zu stellen und ihnen komplizierte Lerninhalte darzustellen, die ich vorher in der Bib vorbereitet hatte. Und natürlich darauf selber Fälle zu lösen und mich mit Inbrunst mit meinen KollegInnen über die richtige juristische Sichtweise zu streiten.
Und damit sind wir wieder bei der Eingangsthese, dass eine eigenständige Examensvorbereitung effizienter ist. Denn – und das ist wissenschaftlich bewiesen – wer Spaß am Lernen hat, der kann sich besser konzentrieren und nimmt Inhalte viel besser auf.
Es mag individuell Argumente dafür geben ein kommerzielles Repetitorium zu besuchen. Aber, dass das selbstorganisierte Rep schwieriger und weniger erfolgversprechend ist, sind keine validen Gegenargumente. Letztlich ist es eine Frage des Mutes einen Weg zu gehen, den die Mehrheit der Jurastudierenden (noch) nicht geht. Durch die Propaganda der kommerziellen Anbieter („nur wir wissen, was examensrelevant ist“) und ständiger Panikmache vor dem Examen wird versucht Euch diesen Mut zu nehmen. Lasst Euch davon nicht beeinflussen! Habt Spaß in der Examensvorbereitung und macht ein Examen im Team! Wir helfen Euch dabei.
Euer jurExIT-Team